Nachlese: Carlowitz-Dialog „Nachhaltigkeit ohne Bergbau (?)“

13. Februar 2025 im Vulcanus des Carlowitz-Congress-Centers in Chemnitz

Was für ein historischer Moment: Prof. Dr. Bernhard Cramer, Oberberghauptmann aus Freiberg, in 19. Generation direkter Nachfolger des Carl von Carlowitz, sprach zu uns und hatte spannende Einblicke im Gepäck. Unter dem Titel hatten sich bestimmt einige etwas anders vorgestellt. Bergbau verändert und schindet die Natur, ist auf den ersten Blick nicht nachhaltig, oder doch?

Hans Carl von Carlowitz ist bekannt für seine Verdienste in der Waldwirschaft, was hat das mit Bergbau zu tun?

Prof. Cramer klärt auf: Carlowitz erkannte, dass es sich beim Bergbau um die Grundlage für Wohlstand, Wertschöpfung und Wachstum handelt, limitiert durch die Verfügbarkeit nachwachsender Rohstoffe, welche über eine Generationenvorsorge abzusichern sei.  Über Grenzen des Wachstums zum multiplikativen Verhältnis zwischen Wirtschaft, Umwelt und sozialem gelangen wir zu den 17 Entwicklungszielen der UN. Wer erfahren wollte, wie sich Bergrecht, Bergbau und Nachhaltigkeit gegenseitig beeinflussen, war in dieser Veranstaltung bestens aufgehoben.

Zielkonflikte der heutigen Zeit lassen sich fast nicht besser verdeutlichen als beim Thema Bergbau, einer wichtigen Quelle für Rohstoffe erneuerbarer Technologien für den technischen Wandel unserer Zeit.

Das Oberbergamt ist mit seinen nur 95 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern direkt dem Wirtschaftsministerium unterstellt und seit 1679 in der Kirchgasse 11 untergebracht. In der Verantwortung liegt unter anderem der Kohleausstieg bis zum Jahre 2100. Als sehr modernes und weitestgehend digitalisiertes Amt geht es um Befahrungen, Baumaßnahmen zur Gefahrenabwehr, Infrastrukturprojekte und Zulassungen bzw. Genehmigungen. Wissenschaftliche Ausbildung und Kompetenz im Bereich Geologie, Bergbau, Scheidewesen steht sehr weit oben auf der Anforderungsliste für Mitwirkende.

Für Prof. Cramer ist das Wort Nachhaltigkeit zu abgenutzt, er mag die Bezeichnung nicht besonders, verdeutlicht uns die Komplexität des Themas am Beispiel moderner Technologien, wie dem Smartphone, welches eine Fülle von seltenen Rohstoffen erfordert. Kommentar Ch. Köhler: Pro Jahr werden ca. 1,3 Milliarden Smartphones gefertigt, mit stagnierender Tendenz. Im Vergleich dazu erfordern erneuerbare Technologien mehrere Milliarden elektronischer Bauteile pro Monat, bei stark steigender Tendenz! Diese entziehen sich der öffentlichen Wahrnehmung, sind aber ein viel prägnanterer Treiber für den Bedarf an Metallen, welche zwar auch im Erzgebirge abbaubar wären, wegen des langen und teuren Vorlaufes eines neuen Bergbaus von fast 18-20 Jahren und der Ergiebigkeit der Lagerstätten kaum bis nicht genutzt werden können. Recycling spielt bisher eine nur untergeordnete Rolle, aus Gründen der Verfügbarkeit recyclingfähiger Produkte und des niedrigen Preises der Rohstoffe, deren Beschaffung wir in Deutschland offensichtlich lieber auslagern, es anderen überlassen und u.a. wegen ineffizienter Lieferkettenkontrolle Ausbeutung von Mensch und Natur billigend in Kauf nehmen.

Eine Frage blieb unbeantwortet: Wie lange können und wollen wir uns Haltung und Sozialromantik noch leisten, im Hinblick auf den Wandel des Klimas und der globalen Wettbewerber?

In den letzten 2 Dekaden sind wir technologisch vom Oberlehrer zum Schüler abgerutscht, haben eine weitestgehend passive Zuschauerrolle eingenommen. Während China und die USA ihre Infrastruktur massiv ausbauen und bei KI, Energiewende und Halbleitertechnik und nachhaltigen Ressourcen den Ton angeben, liefern wir uns in Brüssel endlose Regulierungsdebatten.

Der alte Carlowitz hatte weit über die Landesgrenzen hinaus innovativ gewirkt und Gesetze mitgestaltet, altes in Frage und auf den Kopf gestellt, erfolgreich.  

Die Carlowitz-Gesellschaft Chemnitz wünscht dem Team um Prof. Cramer viel Kraft und Ausdauer, das Vermächtnis des alten Herren in die Zukunft zu transponieren und Zeichen zu setzen, die weit über das „eifrige Erfüllen aller Vorschriften“ hinausgehen und den Mut, sich selbstbewusst gegen sinnfreie und veraltete gesetzliche Regulierungen konstruktiv zu wehren.

Das Bergbauamt kann sich der 100%igenUnterstützung durch die Carlowitz-Gesellschaft sicher sein. 

(Text Christian Köhler)

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